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European Shepherd Network
Liebe Freunde,
Liebe Schäfer und Landwirte,
Die Organisation der Hirtenbewegung in Europa schreitet voran! Vom 26. bis 28. Juni hat das European Shepherd Network (ESN) sein drittes Europäisches Hirtentreffen in Koblenzveranstaltet. Über 50 Hirten vom ganzen Kontinent versammelten sich bei dem Treffen. Gemeinsam haben wir eine Erklärung unterzeichnet, um die verantwortlichen Entscheidungsträger zu bewegen, konkrete Maßnahmen zum Erhalt der traditionellen Viehzucht zu ergreifen. Außerdem haben wir uns auf einen gemeinschaftlichen Aktionsplan geeinigt: Das ESN legt nun los und folgt einer Agenda konkreter Aufgaben, um seine Mitgliedsorganisationen zu unterstützen.
Die Ergebnisse der Veranstaltung sowie die anstehenden Aktionen werden in diesem Newsletter zusammengefasst. Der Pastoralismus ist bedroht, aber gemeinsam können wir der Industrialisierung der Landwirtschaft Einhalt gebieten und unsere vielfältige Kultur und Produktivitätsmodelle bewahren. Und auch in vielen Gegenden außerhalb Europas sehen sich Wanderhirten Unterdrückung ausgesetzt. Wir weiten diese Ausgabe auf andere Teile der Welt aus, indem wir von den Nöten der Nomaden in Tibet und Palästina berichten.
Und wenn Sie bei Facebook sind, können sie der Seite des ESN folgen!
— Das ESN-Team
http://shepherdnet.eu
Drittes Europäisches Hirtentreffen: Aufbau eines gemeinsamen Hirtennetzwerks
Vom 26. bis 28. Juni versammelten sich mehr als 50 Hirten und Landwirte aus 17 europäischen Ländern beim dritten, vom ESN organisierten Europäischen Hirtentreffen auf der Festung Ehrenbreitstein in Koblenz. Die dreitägige Veranstaltung zielte darauf ab, die Probleme, denen sich Viehhaltergemeinschaften in ganz Europa ausgesetzt sehen, zu identifizieren, Lösungsansätze zu diskutieren und die nächsten Schritte des ESN festzulegen.
Vertreten waren dabei Belgien, Bulgarien, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Polen, Portugal, Rumänien, die samische Region, Schottland und Spanien. Die repräsentierten Formen des Hirtentums beinhalteten Wanderweidewirtschaft, Schaf- und Ziegenhütung, extensive Viehzucht, Rentierhütungin arktischen Lebensräumen sowie Crofting.
Die Europäischen Abgesandten in Koblenz (Foto: Rudi Kumpen)
In Themengruppen aufgeteilt, erarbeiteten die Teilnehmer die größten Probleme, denen sich ihre Gemeinschaften unter wirtschaftlichen, politischen, ökologischen und kulturellen Gesichtspunkten ausgesetzt sehen. Sie tauschten sich über regionale Lösungen aus, die bereits umgesetzt werden, und diskutierten verschiedene Möglichkeiten, diese Probleme anzusprechen, mit dem Ziel, zentrale Empfehlungen für das ESN zu formulieren.
Ergänzt wurden diese Workshops von Vorträgen und Diskussionsrunden mit technischen Sachverständigen und politischen Entscheidungsträgern, bei denen dringliche Anliegen wie Grünlandnutzung, Umweltdienstleistungen der Hirten und die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) thematisiert wurden. Am 27. Juni trugen zwei Hirtinnen – Ruth Häck vom Bundesverband Berufsschäfer und Verdiana Morandi von der Associazione dei pastori transumanti del Triveneto (Verband der Wanderhirten von Triveneto, Italien) – die Ergebnisse der Workshops im Namen des ESN vor einem interdisziplinären Gremium vor. Das Gremium, bestehend aus Heinz-Wilhelm Geldermann (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft), Irene Hoffmann (FAO), Anita Idel (Schriftstellerin), Katrin Kuka (Julius Kühn-Institut), Rainer Luick (Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg) und Antonia Lütteken (Generaldirektion Landwirtschaft und ländliche Entwicklung der Europäischen Kommission) ging näher auf die Bedeutung von Verwaltung, Wissenschaft und Instituten bei der Unterstützung der Hirten ein.
Zum Abschluss des Treffens fand eine Publikumsmesse statt, bei der die Hirten der lokalen Bevölkerung ihre Erzeugnisse und Fähigkeiten vorstellten. Bei dieser Gelegenheit konnte man sich außerdem über weitere wichtige Themen wie Hunderassen, Wolltechniken und Nahrungsmittel austauschen.
Die Koblenz-Ehrenbreitstein-Erklärung
Die Koblenz-Ehrenbreitstein-Erklärung wurde auf dem dritten Europäischen Hirtentreffen von 18 anwesenden Hirtenverbänden ratifiziert. Die Erklärung formuliert neun Prioritätsansprüche an politische Entscheidungsträger mit dem Ziel, den Pastoralismus in Europa wirkungsvoll zu unterstützen. Sie können die vollständige Erklärung auf der Homepage des ESN herunterladen. Bitte teilen Sie die Erklärung, um die Europäische Bewegung zu stärken, die der ESN zum Erhalt des Pastoralismus aufbauen möchte!
Sitzung des Europäischen Hirtentreffens
Der Aktionsplan des ESN 2016-2017
Die abgesandten Hirten haben sich in Koblenz auf drei zentrale Vorschläge geeinigt, die das ESN 2016 und 2017 verfolgen soll:
- Eine Kampagne auf EU-Ebene für die Ausweitung der GAP-Fördermittel auf weitere Formen des Weidelands (Wälder, Gebirgsgebiete, unkonventionelle Weidegebiete etc.)
- Die Organisation eines Workshops zum Thema Prädation inklusive Hundetraining, Wissensaustausch und einer Diskussion hinsichtlich politischer Empfehlungen
- Die Erstellung einer Karte der europäischen Viehwanderrouten und die Initiierung einer Debatte über die Umsetzung eines Schutzstatus für bedrohte Routen.
Da der Herbst einsetzt und die Herden ins Flachland zurückkehren, beginnen wir nun mit der Arbeit an diesen Zielen. Wir halten Sie über unsere Fortschritte auf dem Laufenden!
Unterstützt die Landwirte, die Europas pastorale Landschaften erhalten – Ändert die GAP-Regelungen zum Dauergrünland
Eine Petition, die von der spanischen Plattform für extensive Viehhaltung und Pastoralismus ins Leben gerufen und von 80 Landwirtschafts- und Umweltorganisationen unterzeichnet wurde, schlägt vor, die aktuellen sowie die für die Periode von 2014 bis 2020 angedachten GAP-Regelungen zum Dauergrünland auszuweiten. Ziel ist es, alle in Beweidung befindlichen Weideflächen bei der Vergabe der GAP-Fördermittel zu berücksichtigen.
Das Europäische Forum für Naturschutz und umweltschonende Landnutzung (EFCNP) hat neue Entwicklungen im Kampf der traditionellen Viehzüchter gegen die Reklassifizierung von landwirtschaftlichen Nutzflächen seitens der Mitgliedsstaaten veröffentlicht. Obwohl landschaftliche Merkmale wie Bäume und Hecken Bestandteil des traditionellen Landwirtschaftssystems in Europa sind, erleben sie aufgrund einer Europapolitik, die Landwirte von ihrem Unterhalt abschreckt, einen Rückgang. Um nach aktuellen GAP-Regelungen für Subventionen zugelassen zu werden, dürfen auf einer Weidefläche nicht mehr als 50 Bäume pro Hektar stehen und Hecken nicht breiter als zwei Meter sein. In mehreren Mitgliedsstaaten hat dies oft zu der Aufgabe von Waldweiden geführt, die infolgedessen verwildern, und zur Beschneidung von Hecken, was sowohl Kosten für die Landwirte verursacht als auch zum Verlust von Lebensraum führt.
In anderen Teilen der Welt
Tibet
Im Mai hat das Tibetische Zentrum für Menschenrechte und Demokratie (TCHRD) gemeinsam mit der Liga für Hirtenvölker (LPP) einen ausführlichen Bericht über das Schicksal der tibetischen Hirtenkultur mit dem Titel „Wasted Lives: A Critical Analysis of China’s Campaign to End Tibetan Pastoral Lifeways“ (Verlorene Leben: Eine kritische Analyse über Chinas Kampagne gegen die pastorale Lebensweise) veröffentlicht. Dank traditioneller Methoden der Landnutzung konnte das Weideland der Tibetischen Hochebene „9000 Jahre lang von den tibetischen Hirten nachhaltig und gewinnbringend genutzt werden“. Der Pastoralismus in Tibet umfasst die nomadisierte Zucht und Haltung von Grunzochsen, Rindern, Kamelen, Pferden, Schafen und Ziegen. Seit den 1950er Jahren erleiden die tibetischen Hirten unter der chinesischen Besetzung eine erzwungene Sesshaftwerdung und Vertreibung von ihrem Weideland. Aber der Bericht weist darauf hin, dass vor allem die Verarmung der Nomaden aufgrund der chinesischen Landwirtschaftspolitik (die auf Produktivität, Ackerbau, Modernisierung, aber auch auf Konservierung ausgerichtet ist) diese dazu gebracht hat, ihre ländliche Lebensgrundlage aufzugeben. Die Ursachen für den Rückgang des Pastoralismus sind vielfältig, und es gibt Anlass zur Hoffnung, da es einigen Hirten gelungen ist, in ihren Gemeinden traditionelle Strukturen aufrechtzuerhalten und somit die Beweglichkeit ihrer Herden zu sichern.
Den kompletten Bericht können Sie auf der Homepage des TCHRD herunterladen.
Palästina
Im Mai hat der Oberste Gerichtshof von Israel ein Gesuch der al-Uqbis-Beduinen gegen die Verstaatlichung ihres Heimatlands im Jahr 2015 zurückgewiesen. Die Beduinen sind ein indigenes Hirtenvolk, dessen wirtschaftliche Lebensgrundlage alleine auf der Viehzucht beruht. Die Entscheidung des Gerichts ignoriert die Geschichten und Erklärungen, die elf Stammesälteste über ihre Lebensweise, Landwirtschaft, Hirtenkultur, Siedlungsart etc. vorbrachten, und spricht den Beduinen den Status der Ureinwohner ab, meint Oren Yiftachel, Geographieprofessor an der Ben-Gurion-Universität. Israel hat die Beduinen-Gemeinschaften (rund 160.000 Menschen) wiederholt beschuldigt, Staatsgebiet in der Negev-Region im Süden des Landes „unerlaubt betreten“ zu haben. Die Israelische Obrigkeit versucht die Beduinen sesshaft zu machen und hat viele von ihnen bereits in staatlich angelegte Städte deportiert, ungeachtet der „unwiderlegbaren Beweise, die die Rechtmäßigkeit der Besitzansprüche der Beduinen auf ihr Land während der osmanischen und britischen Ära sowohl in Hinblick auf traditionelle Rechtsprechung als auch formale Eintragungen des Grundbesitzes belegen.“
Deutsche Übersetzung von Katharina Staab und Mandy Borchardt (Korrektur) dank PerMondo. PerMondo übersetzt ehrenamtlich für gemeinnützige Vereine und NGOs. Geleitet wird die Initiative von der Übersetzungsagentur Mondo Agit.